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Aufbruchstimmung!

Samstag (24. September 2011) am Schadowplatz: Der Stand der Düsseldorfer PIRATEN wird von Bürgerinnen und Bürgern überrannt. “Wie kann man nur so blöd sein, so eine Partei zu gründen” heißt es einmal, ansonsten wollen Sie alles von uns: Informationen, mehr Informationen, unser Wahlprogramm – auch wenn es aus dem Jahr 2010 ist, natürlich auch Luftballons und Kugelschreiber. Glückwünsche werden uns für Berlin überreicht (Danke!), Tipps werden gegeben (so viele Piraten nominieren wie der Stadtrat Sitze hat und noch eine Reserve), Themen angesprochen: Der Tausendfüßler, fahrscheinfreier ÖPNV, das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE), Jugendschutz, Transparenz in der Politik, in der EU, die Finanzierbarkeit des Berliner Programms, der Parteiname “PIRATEN”.

Wer wir sind und was wir tun, wollen die meisten Besucher des Infostandes wissen: Einige würden uns nicht unbedingt wählen, haben uns jedoch als Chance akzeptiert, die Politik bei großen Teilen der Bevölkerung wiederzubeleben: Hier geht es dann um praktische Fragen: Sind die PIRATEN links, liberal, humanistisch? Ersetzen sie die FDP? Mit wem würden sie koalieren? Können die “Etablierten” den Politikstil der PIRATEN für sich entdecken?

Der Infostand wird mehr als sonst von allen Bevölkerungsgruppen und Altersklassen frequentiert. Die anfänglich drei Piraten am Stand reichen nicht. Wie auch die PIRATEN anderer Städte rufen wir per Twitter um Unterstützung, doch die ist bereits auf dem Weg: Sieben Piraten und zwei Neuzugänge können den Ansturm bewältigen.

Die beiden “Neuen” kennen wir bereits vom Vortag, denn am Freitag fand im Saffran’s der erste Düsseldorfer Stammtisch nach der Berlinwahl statt. Vorgewarnt durch den Erfolg der Stammtische in anderen Orten, hatten wir uns auf viele Interessenten eingestellt ..und so kam es: Rund 15 neue Gesichter begrüßten wir an dem Abend. Nach einer Vorstellungsrunde ergaben sich viele kleine Gesprächsgruppen. Hier ging es um die Organisation vor Ort aber auch um inhaltliche Themen: Diskussionen zum BGE liefen teilweise noch bis Mitternacht.

Einige der Interessenten wollten schon länger einmal vorbeischauen, bei anderen reifte der Gedanke während der letzten “Anne Will”-Sendung, nur eine der vielen Fernsehsendungen zu denen Piraten in der letzten Woche eingeladen wurden – auch weit weg von Berlin: Etliche Stammtische und Piraten aus NRW tauchten im WDR und bei RTL auf; es wurde sogar live von der Vorstandssitzung in Essen berichtet. Für eine Partei, die seit einem kurzen Hype 2009 um Aufmerksamkeit kämpft, ist das ein sehr großer Erfolg.

Auch in Düsseldorf riefen am Montag nach der Wahl die Lokalredaktionen an: Zuerst Antenne Düsseldorf, danach die NRZ, der EXPRESS und die Rheinische Post, am Folgetag die wz und später noch einmal die Rheinische Post – diesmal aus Langenfeld. Die wz kam auch vorbei und machte ein Foto. Bisher wurden allenfalls kurze Ausschnitte unserer Pressemitteilungen gedruckt, das Telefoninterview war neu und ich als Ansprechpartner (der zweite weilte im Urlaub) habe viel zu viel auf einmal erzählt ..und dadurch gelernt, wie man es besser machen sollte. Die Redakteure haben dennoch schöne Artikel verfasst. Einige Anfragen zeigen uns, dass sie auch gelesen wurden.

Wir konnten also in der letzten Woche ein Stückchen Berlin in Düsseldorf erleben. Das, was die Wahlkampfhelfer aus Berlin berichteten, ist auch hier zu spüren. Nicht so krass, eine kleinere Dosis vielleicht. Kein Jubel in der U-Bahn, aber ein großes Maß Bestätigung und Anerkennung für den einzelnen Piraten und sehr viel Vertrauen in die Piratenpartei zeigen auch die Düsseldorfer. Sie trauen uns zu, den Politikbetrieb zu ändern. Das motiviert. Es herrscht Aufbruchstimmung.

Bereits vor der Prognose am Wahlabend um 18:00 Uhr herrschte diese Stimmung. Unglaubwürdige 9% hatte das Meinungsforschungsinstitut “INFO GmbH” der Piratenpartei am Donnerstag vor der Wahl verkündet, jenes Institut, das Ende August die PIRATEN erstmals bei 4,5% sah und die Partei damit vom Makel der angeblichen Stimmenverschwendung befreite. Doch 9% waren den meisten Piraten zu viel. Die 6,5% von Infratest dimap, auf die hoffte man, obwohl selbst dies Tage zuvor noch vermeintlich ferne Traumbalken waren.

Es gelang die Punktlandung: 8,9% und 15 Sitze, die Landesliste ausgereizt; in den Bezirken zum Beweis des Erfolges leicht überreizt. Heute meldet DER SPIEGEL in der Sonntagsfrage 5% für die PIRATEN, 1% mehr als für die FDP. Das ist ein perfekter Ausgangspunkt, die Politik in Deutschland und Europa nachhaltig zu ändern. Die PIRATEN werden weiterhin an 5%-Hürden scheitern und vielleicht auch manchmal an sich selbst, doch die ganz große Einstiegshürde ist geschafft.

Die PIRATEN unterscheiden sich deutlich von den Parteien, die in der Vergangenheit in Hamburg oder Bremen Überraschungserfolge feiern konnten. Die Piratenpartei ist in ganz Europa und in Deutschland bundesweit aufgestellt und Teil einer Bewegung, die grundsätzliche Mechanismen in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft hinterfragt. Im Lichte vieler Entwicklungen – das Internet ist nur ein Teil davon – wird Politik heute in Deutschland nicht mehr zeitgemäß praktiziert. Dazu kommen eine Reihe von Rückschritten (Anti-Terror-Gesetze, Gängelungen durch Märkte und Lobbyisten, Veränderung des Wertes der Freiheit), die eine Kurskorrektur in der Politik notwendig machen. Sollte eine solche nur durch eine neue, frische Partei gelingen können, dann sind die PIRATEN womöglich für die nächsten zwei Jahrzehnte die einzige Chance dafür, denn die Einstiegshürde liegt hoch.

Die Reaktionen, auch in Düsseldorf, zeigen uns, dass viele Menschen dringend nach den PIRATEN in der Politik gesucht haben. Sie waren sich lange Zeit unsicher oder kannten die Piratenpartei nicht, sind jedoch nun von den Möglichkeiten fasziniert oder zumindest auf die weitere Entwicklung gespannt. Der Zuspruch ist hoch, eine Mischung aus Vertrauen und Hoffnung wird den PIRATEN entgegengebracht. Vielen Dank!

Aus dem Traum ist nun ein konkreter Auftrag geworden. Die Menschen setzen auf die Piratenpartei. Jeder kann helfen, diese große Verantwortung wahrzunehmen. Es ist verdammt viel Arbeit.. bundesweit und hier in Düsseldorf ..scheitern ist möglich und dennoch ist die Aufgabe letztlich “too big to fail”. – “Wie kann man nur so blöd sein, so eine Partei zu gründen.”

Autor: Oliver Bayer, übertragen von wako am 26.09.2012