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Polizei schaltet Server der Piratenpartei vor Bremen-Wahl ab

Die Server der Piratenpartei wurden am Freitag, 20. Mai 2011 um 9:15 Uhr auf Grund eines Durchsuchungsbefehls der Staatsanwaltschaft Darmstadt auf richterliche Anordnung hin abgeschaltet. Davon betroffen waren Webseiten, Mailserver und viele wichtige externe wie interne Kommunikationsdienste der Piratenpartei Deutschland.

Die Ermittlungen richten sich dabei nicht gegen die Piratenpartei, sondern gegen unbekannte Nutzer der IT-Angebote und den Inhalt eines sogenannten Piratenpads. Piratenpads sind für jeden zugängliche Browser-Editoren zum gemeinsamen Bearbeiten von Texten. Auch Organisationen und Aktivisten im Ausland nutzen diese Möglichkeit zum kollaborativen Verfassen von Texten oder Sammeln von Informationen, unter anderem die aktuelle Protestbewegung in Spanien.Nach Angaben der Ermittlungsbehörden sei über eines der Pads ein SSH Key veröffentlicht worden, der zu einem Angriff auf einen Server des französischen Energiekonzerns EDF verwendet werden könne. Das Ziel der Untersuchungen sei, die Motive für einen Angriff zu ergründen, der Mitte April 2011 stattfand.

Dies lässt darauf schließen, dass es sich nicht um akute Gefahrenabwehr handelte, sondern dass man die komplette Kommunikations-Infrastruktur einer Oppositionspartei lahmlegte, um zu untersuchen, wer eventuell eine Webseite hätte lahmlegen wollen. Das wäre nicht nur grob unverhältnismäßig, sondern auch ermittlungstechnisch überflüssig.

Die Tragweite und der Schaden für die Piratenpartei ist enorm. “Zwei Tage vor der Bürgerschaftswahl in Bremen wird unsere Homepage und ein Großteil unserer Kommunikationsinfrastruktur durch die Polizei lahm gelegt. Der Umfang der Aktion ist völlig überzogen und der Termin kurz vor der Wahl ein absoluter Skandal”, kritisiert Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei. “Dass die gesamte Informationsstruktur der größten außerparlamentarische Oppositionspartei mit einem Streich vom Netz genommen wird, ist ein einmaliger Vorfall.” Die Piratenpartei wird prüfen, inwiefern die Möglichkeit zur politischen Willensbildung durch Artikel 21 Grundgesetz verletzt worden sei.

Unterdessen distanziert sich die Piratenpartei von den Attacken auf die Webseiten des Bundeskriminalamts (bka.de) und der Polizei (polizei.de). “Wir kritisieren und verurteilen das völlig unangemessene Vorgehen der Ermittlungsbehörden zwar, aber die Geschehnisse sind kein Grund, andere Webseiten anzugreifen. Davon distanzieren wir uns ausdrücklich.” erklärt Nerz.

Update: In der Nacht zum Samstag konnten durch die IT der Piratenpartei beinahe alle Systeme wieder zur Verfügung gestellt werden. Auch die Piratenpads waren wieder erreichbar. In den nächsten Tagen werden die ehrenamtlichen IT-Experten der Partei die Systeme und Daten auf ihre Integrität prüfen.

Autor: Oliver Bayer, übertragen von wako am 26.09.2012